Pressemitteilung zum rechten Angriff am 02. Juni 2022 auf das Café „Spunk“ in Weimar

Mit dieser Pressemitteilung möchten wir über die neuesten Geschehnisse informieren und die Aussagen von Oberbürgermeister Peter Kleine sowie der Stadtverwaltung Weimar mit der Realität abgleichen.

Am Mittag des 02. Juni 2022 wurde unser antirassistisches, antifaschistisches und queerfeministisches Café „Spunk“ in der Marienstraße 3 in Weimar am helllichten Tag von einer Gruppe bestehend aus 5 bis 6 junger Menschen angegriffen. Während 3 bis 4 Personen auf dem gegenüberliegenden Gehweg und eine weitere direkt vor dem Café stehen blieben, riss eine Person der Gruppe plötzlich die Eingangstür des Cafés auf und begab sich aufgeregt in die Räumlichkeiten. Als eben diese mehrere anwesende Kund*innen bemerkte, blieb sie plötzlich für einige Sekunden sichtlich überrascht stehen, zögerte kurz und drehte sich schließlich um, um den Laden wieder rennend zu verlassen. Es machte dabei den deutlichen Eindruck, dass sie etwas vorgehabt hatte – entweder die Inneneinrichtung zu beschädigen oder das arbeitende Personal anzugreifen. Plötzlich krachte es direkt vor dem Café laut und die Pride-/Spunk-Fahne fiel zu Boden. Scheinbar versuchte einer der Angreifer die Fahne zu stehlen und/oder zu zerstören; dabei ging der Stock an der Fassade zu Bruch. Die Gruppe ist daraufhin sofort weggerannt und konnte trotz kurzer Verfolgung durch Kund*innen bzw. Personal entkommen. Einer der anwesenden Kunden sagte uns, er sah in diesem Moment, wie mindestens eine Person aus der Gruppe heraus von der anderen Seite das ganze Geschehen mit einem Smartphone gefilmt habe.

Ob die Täter aus eigener politischer Motivation heraus unser Café angegriffen haben oder von Neonazis vorgeschickt wurden, um die Tat zu begehen, können wir nicht sagen. Den Hintergrund aufzuklären, sollte eigentlich im Aufgabenbereich der ermittelnden Polizei liegen – und nicht in dem der Betroffenen, wie es in der Vergangenheit immer wieder seitens der Sicherheitsbehörden erwartet wurde.

Glücklicherweise wurde keine*r der Kund*innen und niemand von unserem Personal verletzt, es blieb bei einem kleinen Sachschaden. Dennoch ist es trotz des faschistischen Terrors und der rassistischen Übergriffe in Weimar, eine traurige Realität, dass es inzwischen am helllichten Tag zu Angriffen – in diesem Fall auf unser Café – kommt. Diese Ereignisse versetzen uns als Betroffene in einen Zustand der permanenten Angst und kosten uns jeden Tag unglaubliche Überwindung den Betrieb geöffnet zu halten.

Seit eineinhalb Jahren wird das Café „Spunk“ wiederholt zum Ziel von rechten Angriffen: Im März letzten Jahres (2021) wurden die Fensterscheibe sowie Teile der Inneneinrichtung mit einem Stein zerstört. Zu diesem Zeitpunkt hingen dort mehrere Gedenk- und Erinnerungsplakate für die Opfer des rechtsterroristischen Anschlages in Hanau vom 19. Februar 2020. In den folgenden Monaten wurde mit schwarzer Farbe ein Hakenkreuz an die Eingangstür des Cafés geschmiert; zuvor wurde immer wieder das Türschloss verklebt. Beinahe jede Woche werden Aufkleber mit neonazistischen Inhalten an der Tür oder an den Fenstern angebracht. Im März und April dieses Jahres (2022) folgten zwei Attacken mit schwarzer, roter und gelber Farbe gegen die Fensterfront sowie die Fassade des Gebäudes.

Von rechter Gewalt und Bedrohung betroffen zu sein, ist nicht nur für uns eine emotional sehr belastende und psychisch traumatische Erfahrung. Deshalb ist es wichtig den Menschen in solch Situationen rücksichtsvoll und empathisch zu begegnen. Die Betroffenen sind nicht(!) die Ansprechpartner*innen, um Fragen zu rechter Gewalt oder rassistischer Diskriminierung in Weimar zu beantworten. So wünschen auch wir uns, nicht ständig auf das, was passiert ist, angesprochen zu werden. Immer wieder über solche Erfahrungen und Geschehnisse reden zu müssen, ist anstrengend und beklemmend. Für solche Informationen gibt es lokale Gruppen wie beispielsweise Migrantifa Weimar.

Schon vor einem Jahr appellierten wir als Café „Spunk“ als Unterzeichnerinnen eines Offenen Briefs an Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine, entschlossener gegen rechte Gewalt in der Stadt vorzugehen. So wurde die Kommunalpolitik dazu aufgefordert, die Betroffenen endlich zu unterstützen und konkrete (präventive) Schritte gegen neonazistische Angriffe und rassistische Übergriffe einzuleiten. Ein Besuch des Oberbürgermeisters in unserem Café, bei dem uns Hilfe versprochen wurde, brachte uns im Endeffekt wenig.

Dass wir in unserem antifaschistischen und antirassistischen Engagement nicht auf staatliche Sicherheitsbehörden wie die Polizei oder kommunale Politiker*innen vertrauen können, zeigen die Reaktionen infolge des neusten rechten Angriffes.

Die Pressemitteilung von Oberbürgermeister Peter Kleine empfinden wir als reine Symbolik, vor allem aber als Respektlosigkeit. Ohne mit uns als Betroffenen gesprochen zu haben, beschreibt er die rechte Gewalt völlig unangemessen mit den Worten „Störung“, „Provokation“ und „Belästigung“. Für die Betroffenen von faschistischer und rassistischer Gewalt, die in Weimar leider schon heute ein „Normalzustand“ ist, sind solche Aussagen ein Schlag ins Gesicht. Es verdeutlicht, wie wenig ernst Oberbürgermeister Peter Kleine und auch Bürgermeister Ralf Kirsten die Situation nehmen. Gleichzeitig wird durch Kleine sowie Kirsten die Arbeit der Weimarer Polizei gelobt, welche jedoch nicht einmal eine Pressemitteilung zu dem Angriff veröffentlichte – während eine aus einem Garten gestohlene Heckenschere eine Pressemitteilung wert war. Des Weiteren wird die Polizei dafür gelobt, nach einem Notruf über 110 zeitnah erschienen zu sein – dies sagt ehrlicherweise viel über die (Un-)Fähigkeit eines großen Teils der Weimarer Polizist*innen aus. Auch führte bis heute keine einzige Ermittlung zu einer Ergreifung der Täter*innen. So zeigt sich für uns auch hier ein Desinteresse der Sicherheitsbehörden, etwas gegen neonazistische Gewalt zu tun. Die Pressemitteilung des Oberbürgermeisters ist ein reines Lippenbekenntnis. Ohne konkrete Schritte einzuleiten oder den Betroffenen endlich Hilfe zu bieten, wird das Thema in ehrenloser Art und Weise von Oberbürgermeister Peter Kleine sogar dazu genutzt, sich auf die eigene Schulter zu klopfen. Denn die Antidiskriminierungsstelle der Stadt Weimar ist nicht der Kommunalpolitik zu verdanken, sondern den selbstorganisierten Anstrengungen (post-)migrantischer Menschen, welche sich gegen behördliche Widrigkeiten seitens der Stadtverwaltung durchgesetzt haben.

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